Wirtschaftliche Neubewertung des Waldes
In seinem Gastbeitrag erklärt Peter Gaffert, Parteiloser Oberbürgermeister der PEFC-Waldhauptstadt Wernigerode, dass eine wirtschaftliche Neubewertung des Waldes durch Gesellschaft, Staat und Politik ist dringend erforderlich ist.
Um für die Gesellschaft, die Natur und das Klima auch künftig den Erhalt des Ökosystems Wald sicherstellen zu können, müssen alle Waldleistungen der Forstwirtschaft honoriert werden, nicht nur, wie bislang, die Holzproduktion. Doch leider sind diese Leistungen vielen Menschen in unserem Land entweder überhaupt nicht bewusst oder werden als unentgeltliche Selbstverständlichkeit wahrgenommen und daher kaum wertgeschätzt. Wenn überhaupt, dann nimmt die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in den Städten, die Leistung der Forstwirtschaft lediglich als Bereitsteller von Holz zur Fertigung von Holzprodukten wahr.
Deshalb ist es uns ein dringendes Anliegen, in unserer Gesellschaft ein Bewusstsein für die Ökosystemleistungen der Wälder zu bewirken. Dazu gehört zwingend, dass in Zukunft alle Leistungen der Forstwirtschaft als Bereitsteller dieser Ökosystemleistungen anerkannt werden.
Die Holznutzung macht tatsächlich aber nur einen Teil aller Leistungen des Ökosystems Wald und damit auch der Forstwirtschaft aus. Wälder sind multifunktional. Sie tragen zur Lebensqualität aller Menschen in diesem Land bei, indem sie ihnen Freizeit und Erholungsmöglichkeiten bieten, sauberes und schmackhaftes Trinkwasser bereitstellen und gesunde Luft sowie ein angenehmes Mikroklima bieten. Gleichzeitig bewahren Wälder auch das spirituelle und kulturelle Erbe unseres Landes.
Diese Leistungen stellen die Waldbesitzer der Gesellschaft kostenfrei zur Verfügung. Das ist einerseits gut so. Der Forstwirtschaft bringt es aber ein erhebliches Problem: Denn leider ist eine charakteristische Eigenschaft ihrer grünen Infrastruktur- und Dienstleistungen das Fehlen eines Marktwertes. Staat und Gesellschaft erwarten, dass alle diese Leistungen quasi umsonst bereitgestellt werden. Der Wald und die Forstwirtschaft erbringen somit viel mehr Leistungen und erfüllen mehr Funktionen, als über die Holzproduktion allein ökonomisch erfasst und monetär bewertet werden kann.
Das war schon in der Vergangenheit ein Problem. Im Zuge des Klimawandels mit seinen vielen kostspieligen Aufbau- und Anpassungsmaßnahmen muss jetzt endlich eine neue Bewertung aller anderen Leistungen von Wald und Forstwirtschaft erfolgen.
Denn spätestens seit den Extrem-Wettereignissen der letzten beiden Jahre kämpfen Waldbesitzer und Forstleute in ganz Deutschland darum, den Wald in seinem Bestand zu sichern. Mittendrin zahllose Bürgermeister wie ich, die für den kommunalen Wald zuständig sind, darf ich anmerken. Beschädigte und kranke Bäume müssen gefällt und aus dem Wald abtransportiert, gewaltige Kahlflächen wieder bepflanzt und abgestorbene Jungbäume ersetzt werden. Der Aufwand hierfür fordert alle, die sich um den Wald kümmern und ihn pflegen auf Jahre hinaus. Damit dürfen wir die Forstleute und Waldbesitzer nicht allein lassen. Die Forstbetriebe und Waldeigentümer müssen in den nächsten Jahren gewaltige Kosten stemmen, um die Schäden an den Wäldern, die der Klimawandel erzeugt, zu beseitigen und diese gleichzeitig wieder so aufzubauen, dass sie auch in Zeiten des Klimawandels ihre Leistungen für unsere Gesellschaft erfüllen können. Sie sind dabei dringend auf die Unterstützung bzw. Solidarität unserer Gesellschaft angewiesen. Unsere Gesellschaft muss erkennen, welchen Wert der Wald für unser Land und seine Menschen hat.
Die Forstwirtschaft muss somit stärker in die Wahrnehmung der Bevölkerung rücken und auf ihre unentgeltlich erbrachten Leistungen hinweisen. Dabei geht es nicht darum, eine „Nutzungsgebühr für Wälder“ zu erheben, sondern ein Bewusstsein über die erbrachten Ökosystemleistungen und eine angemessene Honorierung der forstwirtschaftlichen Leistungen zu erzeugen.
Die besondere Bedeutung des Waldes gerade in dieser Zeit macht eine wirtschaftliche Neubewertung des Waldes durch Gesellschaft, Staat und Politik dringend erforderlich.
Peter Gaffert ist parteiloser Oberbürgermeister der PEFC-Waldhauptstadt Wernigerode, Förster und Politiker, stellv. Vorsitzender von PEFC Deutschland. Von 1994 bis 2004 leitete Gaffert den Nationalpark Hochharz und von 2005 bis 2008 den Nationalpark Kellerwald-Edersee.